Vom Auftragskiller zum Nervensägen-Babysitter
In „Die Filzlaus “ aus dem Jahr 1973 von Regisseur Édouard Molinaro, wird Jacques Brel als François Pignon zu Ralph Milans, gespielt von dem großartigen Lino Ventura, größten Albtraum. Profikiller Milan plant vom Hotel aus, den unangenehmen Kronzeugen Louis Randoni zu beseitigen. Dumm nur, dass Zimmernachbar Francois seinen Selbstmord plant. Um Aufsehen zu vermeiden, wird Milan ungewollt zu Francois Aufpasser, der ihn regelrecht in den Wahnsinn treibt. Für uns stellen sich somit folgende Fragen: Kann Milan seinen Auftrag zu Ende bringen, funktioniert der Film heute noch und wie ist die Blu-ray Veröffentlichung von Pidax ausgefallen? Die Antworten verrät unser Review mit Filmkritik!
Worum geht’s in „Die Filzlaus (Die Klette)”?
Wenn die Justiz kriminellen Organisationen mit Kronzeugen auf die Pelle rückt, gibt es nur einen Mann für dieses Problem, der eiskalte Auftragskiller Ralph Milan (Lino Ventura). Für seinen Auftrag quartiert er sich mit seinem Scharfschützengewehr im Hotel gegenüber des Justizpalastes in Montpellier ein. Unwissend, dass sein größter Albtraum in Form von Hemdenvertreter François Pignon (Jacques Brel) sein Zimmernachbar wird. Während Milan versucht jegliches Aufsehen zu vermeiden, plant der von seiner Frau verlassene Pignon sich im Badezimmer das Leben zu nehmen.

Natürlich scheitert Pignons Selbstmordversuch kläglich, woraufhin Milan gezwungen ist, ihn überallhin zu begleiten. Derweil bettelt François seinen Lebensretter an, mit seiner Frau Louise zu reden. Dies ist Milans Chance, den Jammerlappen auf der Fahrt zu Louise stillschweigend zu beseitigen. Doch sein Plan wird von einer gebärenden Mutter, zwei Polizisten, einer Verwechslung und einem überaus starken Beruhigungsmittel torpediert, womit sich die Frage stellt: Kann der Killer seinen Auftrag überhaupt noch erfüllen?
Die Inszenierung eines chaotischen Auftragsmords
Molinaros Film „Die Filzlaus“ (Einstiger DDR Alternativ-Titel „Die Klette“) im Original „L’Emmerdeur„, basiert auf dem Theaterstück „Le Contrat“ des französischen Autors und Regisseurs Francis Veber, welches 1970 in Paris uraufgeführt wurde. Veber war u.a. auch an den Drehbüchern solch erfolgreicher Filme wie „Der große Blonde mit dem schwarzen Schuh“ (1972) mit Pierre Richard oder „Angst über der Stadt“ (1975) mit Jean-Paul Belmondo beteiligt. Édouard Molinaro verfilmte dagegen noch weitere von Vebers Drehbüchern, wie bspw. der überaus erfolgreiche Titel „Ein Käfig voller Narren (La cage aux folles)“ aus dem Jahr 1978.
In „Die Filzlaus“ beschreibt Vebers Skript die groteske Situation, in der ein eiskalter Killer gezwungen ist zum Kindermädchen eines Jammerlappens zu werden. Wodurch eine herrliche Situationskomik entsteht, das aber weniger durch die ziemlich tollpatschige Figur François Pignon, sondern eher durch den stoischen Milan. Welcher geradewegs immer mehr an den Rand des irrwitzigen Wahnsinns getrieben wird. Besonders wenn der Killer gefühlt 100 mal sein Scharfschützengewehr aus- und gleich wieder einpacken darf. Oder er den Hotelpagen besticht, damit dieser nicht zur Polizei rennt, während er Pignons unvorhersehbare Aktionen im Auge behalten muss.

Die Chemie der Darsteller passt hier wunderbar und egal wie surreal die Situation erscheint, die Komik driftet nie in Klamauk ab. Ebenso schwankt man zwischen den Figuren: auf der einen Seite möchte man, dass der Antagonist sein Ziel erreicht, andererseits empfindet man Mitleid mit dem gehörnten Ehemann. Da Jacques Brel seine Figur teils so extrem naiv und gleichzeitig nervig darstellt, hat man aber ab und an das Verlangen, diesen selbst „ruhig“ stellen zu wollen. Der Film profitiert dabei hervorragend von der deutschen Synchronisation. Besonders wenn Venturas Sprecher, der großartige Arnold Marquis, so richtig herrlich aus der Haut fährt.
Wie viele französische Komödien leidet auch „Die Filzlaus“ an ein paar Längen und unrunden Szenen, die Edouard Molinaro hätte umschiffen können. Besser hat dies Billy Wilders Remake gelöst, doch dazu später mehr. So wirkt bereits der Anfang des Films mit dem Attentat und der Autobombe etwas verwirrend. War Milan hier schon beteiligt? Der Plot um Ex-Frau Louise Pignon lässt ebenfalls Fragen offen: Weshalb hat sie Pignon wegen dem Psychiater Fuchs verlassen? Dass sie plötzlich wieder zurück zu ihm will, wirkt recht konstruiert. Dazu wirkt der dauernde Wechsel zwischen Dramatik und Komik nicht immer ganz rund.
Anmerkung: Dramatische Wendungen wurden damals gern in französischen Komödien eingesetzt, obwohl sie oft das Pacing / den Erzählfluss störten. Dies war bspw. in Louis de Funes Komödie „Louis und seine außerirdischen Kohlköpfe“ ein Problem, da die Macher meinten sie müssten einen Twist um die tote Ehefrau spinnen, welcher in der deutschen Kinofassung letztlich der Schere zum Opfer fiel.
Die grandiose Besetzung
Für die Rolle des Ralph Milan konnte man den Charakterdarsteller Lino Ventura gewinnen, den man bis dato eher aus ernsten Rollen wie in „Der Clan der Sizilianer“ kannte. In Molinaros Komödie parodiert er dafür sein ihm bekanntes Image als knallharter Gangster wunderbar. Der Wechsel vom eiskalten Auftragskiller Ralf Milan hin zum urkomischen Nervenbündel ist ihm ebenso gut gelungen wie einst André Bourvil. Welcher in „Vier im roten Kreis“ den Wechsel vom Komiker hin zum stoischen Kommissar vollzog. Ventura wird in der deutschen Synchronisation von Arnold Marquis gesprochen.

Venturas Gegenüber wurde mit dem damals äußerst erfolgreichen belgischen Chansonnier (Sänger) und Schauspieler Jacques Brel besetzt. Dieser spielt den leicht trotteligen, depressiven und von seiner Frau Louise verlassenen François Pignon. Als Milans Zimmernachbar treibt er diesen auf die Palme und obwohl sein Charakter nervt, kann man dem Versager sein Tun nicht übel nehmen. Für die deutsche Synchro lieh ihm Peer Schmidt seine Stimme.
In weiteren Rollen: Caroline Cellier als Louise Pignon, Jean-Pierre Darras (Asterix Sieg über Caesar) als Psychiater Dr. Fuchs. Nino Castelnuovo (Der englische Patient) als Hotelpage, Angela Cardile als Schwangere, Michele Gammino (Zwei wie Pech und Schwefel) als werdender Vater, Jean-Louis Tristan als Kommissar, Xavier Depraz (Lucky Luke) als Louis Randoni, Jacques Galland (Vier im roten Kreis) als Notar Chamfort, u.v.m.
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Was bietet die Veröffentlichung von „Die Filzlaus“ von Pidax?
Die Filzlaus (Film 1973) Kritik & Fazit:

Molinaros Filmkomödie trifft mit seiner Situationskomik den Humor der 1970er Jahre, welcher auch heute noch gut funktioniert. Die nuancierten Pointen sitzen und werden durch das gute Timing, die Dialoge, die Mimik und durch das hervorragende Spiel seiner Darsteller wunderbar zum Publikum transportiert. Die Geschichte selbst ist bis auf ein paar Patzer im Storytelling, durchweg lustig, turbulent und unterhaltsam, ohne dabei in Klamauk zu verfallen.
Dazu überzeugt das Spiel von Lino Ventura, der als professioneller Killer zusehends seine Kontrolle durch den lebensmüden François Pignon verliert, der von Jacques Brel gespielt wird. Dabei wechselt sich Komödie und Dramatik meist passend ab, wobei es jedoch ab und an zu einem leichten Ungleichgewicht kommt. So steht die Dramatik teils etwas unpassend im Vordergrund, was zu ein paar Längen im Film führt.
Fazit: Fans der Komödie können dank der sehr guten Blu-ray von Pidax, „Die Filzlaus“ nun endlich in angemessener Qualität genießen. Die Geschichte ist zwar nicht mehr neu, aber besonders der grandiose Lino Ventura, in dieser für ihn untypischen Rolle, ist immer noch ein Hochgenuss. Unserer Meinung nach können Freunde und Sammler klassischer französischer Komödien hier bedenkenlos zugreifen.
Hinweis: Das verwendete Bild- und Trailer-Material sowie das Rezensionsexemplar wurden uns mit freundlicher Genehmigung von © 2025 Pidax Film zur Verfügung gestellt – Alle Rechte vorbehalten!