Im Westen Nichts Neues (2022): Review

Im Westen Nichts Neues: Verdienter Oscar Gewinner?

Im Westen Nichts Neues (2022): 92 Jahre sollte es dauern, bis Erich Maria Remarques Roman eine Neuverfilmung erfuhr. Der Schweizer Filmemacher Edward Berger nahm sich diesem Werk an und brachte den deutschen Film mit finanzieller Hilfe von Netflix zurück nach Hollywood. Und damit auch als Hoffnungsträger für eine Auszeichung in die heiligen Hallen der Academy of Motion Picture Arts and Sciences. Was sich schon bei den British Academy Film Awards abzeichnete, sollte in Hollywood dann auch Realität werden und Bergers Film gewann den Oscar für den besten ausländischen Film 2023.
Schauplatz ist der Erste Weltkrieg, in dem auch der Originalautor Remarque diente und auf dessen Erlebnissen sein Roman beruht. Dieser wurde bereits im Jahr 1930 von dem Amerikaner Lewis Milestone verfilmt und ebenfalls mit einem der begehrten Academy Awards geehrt. Bergers Neuverfilmung kommt natürlich zeitgemäßer und wesentlich heftiger daher. Auch die Auswahl der Schauspieler ist dem Schweizer Regisseur äußerst gelungen. Allen voran Jungschauspieler der Österreicher Felix Kammerer als Hauptfigur Paul Bäumer. Wie mir das Remake gefallen hat, erfahrt Ihr wie immer in den Zeilen meiner nachfolgenden Rezension.
Fürs Vaterland in den Tod
1917, Erster Weltkrieg! Angespornt durch die pathetischen Reden ihres Lehrers, gibt es für die erst 17-jährigen Pennäler Paul Bäumer, Albert Kropp, Ludwig Behm und Frantz Müller nichts Heldenhafteres als sich zum Kriegsdienst zu melden. Ihr Drang nach Ruhm und Ehre auf dem Schlachtfeld ließ sie sogar die Einverständniserklärung ihrer Eltern fälschen. Und so führt sie ihr Einsatz direkt zum Grabenkrieg an der Westfront und damit in ihre furchtbarste Entscheidung ihres noch jungen Lebens. Angekommen im Schützengraben lernt Paul den Soldaten Stanislaus „Kat“ Katczinsky kennen. Dieser wird nicht nur zu einem Mentor, sondern auch zu einem Freund. Fortan stürmen die Kameraden immer wieder von Neuem gegen die Stellungen der Franzosen und müssen derbe Verluste hinnehmen.

Ein Großangriff der Franzosen mit schwerem Gerät überlebt Paul nur knapp. Einer seiner Freunde, Ludwig, hatte nicht so viel Glück. Doch die Schlacht lässt einem keine Zeit für Trauer. So muss Paul mitansehen, wie sein Freund Albert bei lebendigem Leib mit einem Flammenwerfer verbrannt wird und die Verluste wachsen weiter. Ein Zweikampf in einem Bombentrichter mit einem französischen Soldaten wird für Paul zu einem reinen Albtraum. Er schafft es nicht, den Gegner gleich zu töten und muss dessen Leiden ertragen. Selbst seine Versuche diesen doch noch zu retten sind vergebens. So muss er minutenlang miterleben, wie dieser elendig krepiert. Diese Erfahrung führt ihn an die Grenzen des erträglichen und wird ihn zeitlebens nie mehr loslassen.

Zwischenzeitlich hat sich Zentrumspolitiker Erzberger in der Regierung durchgesetzt und versucht, einen Waffenstillstand mit dem französischen Marschall Ferdinand Foch auszuhandeln. Derweil haben sich die deutschen Truppen mit Bäumer und Katczinsky im Hinterland gesammelt. Wie einst versuchen die beiden Freunde, einem nahegelegenen Bauern ein paar Eier abzuluchsen. Doch „Kat“ wird von dem Sohn des Bauern gestellt und angeschossen. Pauls Versuche scheitern, ihn lebend ins Lazarett zu bringen, womit er in eine Lethargie verfällt. Währenddessen unterschreibt Erzberger die Kapitulation. Und dennoch versucht General Friedrich eine letzte verzweifelte Schlacht anzuzetteln und schickt seine verbliebenen Soldaten wissentlich ins Verderben. Darunter auch Paul Bäumer …
Die Schrecken des Krieges
„Im Westen Nichts Neues“ ist seit über 90 Jahren die erste Kinofilm Adaption des Romans, des Schriftstellers und Kriegsveterans Erich Maria Remarque. Ein Werk, welches in der Weltliteratur einen festen Platz einnimmt. Selbst rund 94 Jahre nach Erscheinen des Romans gehört dieser immer noch zu den meist gelesenen Büchern Deutschlands. Eigentlich erstaunlich, dass es fast ein Jahrhundert dauerte, bis sich letztlich ein Filmemacher an ein Remake fürs Kino machte. Mal abgesehen von der TV-Spielfilmfassung von Delbert Mann aus dem Jahr 1979. Bereits 1930 entstand eine Erstverfilmung unter der Regie des Amerikaners Lewis Milestone, der ebenfalls einen Academy-Award abholen konnte. Diese Fassung ist ebenfalls auf DVD und Blu-ray erhältlich und bietet aufgrund seines Alters, neben einer Tonspur auch eine Stummfilm Version.

Nun aber zurück zu Edward Bergers Version, die er überaus erfolgreich auf die große Leinwand brachte.Schon die Eingangsszene wirkt einschüchternd und zeigt bereits den Irrsinn eines Krieges. Erkennungsmarken der gefallenen Soldaten werden eingesammelt, die Toten entkleidet und vergraben. Die Uniformen werden von Dreck, Blut und diversen Körperteilen gereinigt, aufbereitet und letztlich wieder an einen jungen Rekruten weitergereicht. Ebenso wirken die jungen Recken fast schon surreal, wenn diese damals wie heute von patriotischen und pathetischen Reden geblendet werden. So auch die Hauptfigur und seine Freunde. Gerade einmal siebzehn Jahre alt und so gesehen noch Teenager, wollen sie für eine irrationale Obrigkeit in einen Krieg ziehen.

Was für die Vier wie ein großes Abenteuer beginnt, endet in einem unvorstellbar grauenvollen Albtraum, der ihnen die Sinnlosigkeit des Krieges mit aller Härte vor Augen führt. Letztlich ist es ein Sterben deutscher Soldaten in einem Stellungskrieg, welcher letzten Endes nur wenige Meter Landgewinn einbrachte. Dass der Krieg viele Leben kosten würde, konnte man ahnen, dass es rund 17 Millionen sein werden, damit hatte wohl niemand gerechnet. Berger zeigt hier ganz bewusst die Brutalität des Krieges und so sieht man viel totes Fleisch und Blut junger deutscher Soldaten. Diese werden von Granat-Geschossen, Panzerangriffen und MG-Salven nur so dahin gemetzelt. So springt der Film zwischen persönlichen Schicksalen und einem Dauermassaker hin und her.

Während ein zweiter Erzählstrang den Versuch deutscher Unterhändler zeigt, welche einen Friedensplan verhandeln wollen. So wächst im Verlauf die Spannung, ob es Daniel Brühl als Matthias Erzberger auch schafft, dieses Ziel zu erreichen. Oder ob der einstige „Teenager“ Paul Bäumer lebendig aus dieser Hölle entkommen kann. Der Filmemacher lässt in den Dialogen aber auch durchklingen, dass der Kampf, den diese Rekruten durchstehen, sie niemals mehr loslassen wird. Scheint es doch gerade so, dass der Tod dieser die einzige Hoffnung auf Erlösung zu sein scheint. Die eindrücklichen Bilder und diese Erkenntnisse lassen den Zuschauer in einer äußerst betrübten und nachdenklichen Stimmung zurück.
Fazit:
„Im Westen Nichts Neues“: Und wieder ist es ein Schweizer, der den Weg zu den Academy-Awards einleitete. Während Oliver Hirschbiegels „Der Untergang“ mit hervorragend aufspielenden Schweizer Bruno Ganz als Adolf Hitler, zumindest eine Nominierung einheimste. Schaffte es „Im Westen Nichts Neues“ als deutscher Kriegsfilm, den „Goldjungen“ für den besten ausländischen Film abzuholen. Und um die eingangs gestellte Frage zu beantworten: zu Recht. Regisseur Edward Berger erschuf mit seinem Film ein eindringliches Werk, was besonders zu Aktueller Stunde mehr denn je, den Wahnsinn des Krieges zeigt.
Inwiefern dieser und die enthaltenen Handlungen historischen Tatsachen entspricht lasse ich mal dahingestellt. Darüber dürfen sich gerne echte Historiker austauschen. Was der Film definitiv geschafft hat, ist die Schrecken des Krieges eiskalt, hart und brutal darzustellen. Dies wiederum dürfte der Realität wohl nahekommen. Inszenatorisch spielte der Schweizer Filmemacher jede Karte perfekt aus. Das Szenenbild, die Kamera, die Musik – alles fügt sich zu einem äußerst runden Gesamtbild ab. Die Schauspieler konnten mich ebenfalls überzeugen, einzig der Darstellung des Generals fehlte meiner meine nach etwas die Intensität des gelebten Irrsinns.
Dafür überzeugte Felix Kammerer umso mehr, bei jeder Szene merkte man, wie sehr sich der Darsteller in die Figur Paul Bäumers hineinkniete. Aber nicht nur bei ihm, sondern auch bei seinen Schauspielkollegen, spürte man, dass diese jetzt nicht zum Kriegsspielen vorbeigekommen sind, sondern dass die Jungs mit ihren 17 Jahren am völlig falschen Ort sind und nicht wissen, wie ihnen geschieht. Und das in einer deutschen Armee, die schon längst den Krieg verloren hatte. Für mich ist „Im Westen Nichts Neues“ der beste Antikriegsfilm seit Jahren und ich hoffe, dass dieser zu einem festen Bestandteil in Schulen und sonstigen Bildungseinrichtungen wird. Denn dieser zeigt, wie nur wenige, die pure Sinnlosigkeit eines Krieges.
Bilder & Trailer © Capelight Pictures – alle Rechte vorbehalten!
FAQ’s:
Infos und Extras der UHD:
Capelight Pictures veröffentlichte „Im Westen Nichts Neues“ auf Blu-ray und DVD. Sondern brachte im März 2023 auch noch ein optisch passendes Mediabook auf den Markt, welches ich bereits begutachten durfte. So bietet das Booklet noch einige interessante Infos zum Film selbst, ebenso wie die Extras, die sich sowohl auf der enthaltenen UHD wie Blu-ray wiederfinden. Darunter ein Making-of, ein englisch eingesprochener Audiokommentar von Regisseur Berger mit deutschen Untertiteln, Interviews und Trailer. Die technischen Aspekte wissen ebenfalls zu überzeugen, so wird der Zuschauer mit einem knackig scharfen Bild verwöhnt. Ebenso weiß der Ton zu überzeugen, wobei wie immer die Dialogverständlichkeit im Vordergrund steht und diese ist hervorragend. Aber auch wenn es auf dem Schlachtfeld knallt wird das Wohnzimmer zum Kriegsschauplatz.
Da der Film von Netflix mit produziert wurde, konnte man kurz nach dessen Kinostart im Oktober 2022, den Film in Netflix Streamingdienst finden. Eventuell für all diejenigen interessant, die keine Filme auf physischen Medien sammeln.
Auszeichnungen:
British Academy Film Awards: Ausgezeichnet in sieben Kategorien, sowie auch als bester Film und beste Regie. Academy-Awards: Bester ausländischer Film. Sowie etliche weitere Auszeichnungen und Nominierungen.
Die Darsteller:
Felix Kammerer als Paul Bäumer, Albrecht Schuch („Systemsprenger“) als Stanislaus Katczinsky, Aaron Hilmer („Sløborn“) als Albert, Moritz Klaus als Frantz, Adrian Grünewald „Sløborn“) als Ludwig, Edin Hasanovic („Der gute Bulle“) als Tjaden, Devid Striesow („Alfons Zitterbacke“) als General Friedrich. Daniel Brühl („The Falcon and the Wintersoldier„) als Matthias Erzberger, sowie einige mehr.
Das Produktionsteam:
Edward Berger verantwortlich für Regie und Drehbuch. Ian Stokell und Lesley Paterson ebenfalls Drehbuch, Produktion Malte Grunert und Daniel Marc Dreifuss. Musik von Volker Bertelmann. Hinter der Kamera stand James Friend. Schnitt, Sven Budelmann.
Fun-Fact:
Den älteren unter meinen Lesern könnte eventuell noch die TV-Spielfilmversion aus dem Jahr 1979 bekannt sein. In Delbert Manns Verfilmung von „Im Westen Nichts Neues“ spielte Richard Thomas, bekannt aus der Serie „Die Waltons“ (John Boy) die Rolle des Paul Bäumer. Während Oscar-Gewinner und Hollywood Urgestein Ernest Borgnine die Rolle von Kat übernahm. Auch Donald Pleasance („Halloween„) und Ian Holm („Herr der Ringe“) spielten in diesem mit.