HINTERLAND – REVIEW
„HINTERLAND“ Peter Perg, ein Kommissar, der in den Krieg zog, welcher ihn auffraß und ausspukte. Kaum zurückgekehrt in die Heimat wartet die nächste Hölle auf ihn.

„HINTERLAND“ – In seinem Krimi-Thriller-Drama erzählt uns Oscarpreisträger Stefan Ruzowitzky, die Geschichte des Kriegsheimkehrers und ehemaligen Kommissar Peter Perg (Murathan Muslu). Vom Krieg desillusioniert und geistig fast gebrochen, saßen Peter Perg und seine Männer, noch weitere zwei Jahre in Kriegsgefangenschaft. Nun sind sie endlich auf dem Weg in die Heimat. Doch ihr bekanntes Österreich hat sich völlig verändert. Selbst der von ihnen geleistete Einsatz, samt dem erlittenen Leid und Schmerz, wird in völlig ignoriert. Die offizielle Entlassung aus der Armee und ein Gutschein für das Obdachlosenheim ist ihr einziger Dank. Doch für Perg wird es noch übler kommen, ist er doch noch nicht mal richtig zuhause angekommen, wird er schon in einen Mordfall verwickelt. Noch am selben Abend ihrer Ankunft wurde einer von Peter Pergs Untergebenen auf bestialische Art und Weise ermordet. In surrealen, teils albtraumhaften Bildern folgen wir nun der Hauptfigur Peter Perg, auf seiner Jagd nach dem Täter. Dabei stehen dieser Figur noch so einige persönliche Dramen bevor. Wie mir Ruzowitzkys unwirklicher Genre Mix aus Krimi, Thriller und Drama gefallen hat, erfahrt Ihr wie immer in den nachfolgenden Zeilen.
Der Heimkehrer
Der große Krieg ist schon lange vorbei, doch für den ehemaligen Kriminalkommissar Peter Perg und seine Männer endet dieser erst jetzt. Zwei Jahre saßen sie unter grausamen Bedingungen in russischer Kriegsgefangenschaft. Dabei mussten sie Dinge tun, mit denen sie wohl niemals wirklich fertig werden können. Kein Wunder wurde einer von Ihnen verrückt, während ein anderer die Heimkehr erst gar nicht mehr erlebte. Aber auch die Heimat hat sich verändert. Österreich wird nicht mehr von einem Kaiser regiert, sondern wurde zu einer Republik. Kein Dank, kein Nichts wartet auf die wackeren Soldaten, eine wortkarge Entlassung, samt einem Obdachlosen Gutschein ist ihr „Lohn“. Vieles, was vertraut war, gibt es nicht mehr. Nicht mal mehr Pergs Frau und Kind leben noch in Wien. So gibt es einiges zu verdauen. Für Perg jedoch scheint es keine Verschnaufpause zu geben. Wurde am Abend ihrer Rückkehr, einer seiner Kameraden auf bestialische Weise hingerichtet und Perg ist der erste Tatverdächtige.

Nur sein ehemaliger Kollege und jetziger Polizeirat Victor Renner scheint ihm noch gewogen zu sein. So bietet er ihm an, unterstützend tätig zu werden. Was seinem jungen Kommissar Paul Severin so gar nicht passt. Hält dieser Perg doch uneingeschränkt für verdächtig. Peter Perg ist alles andere als begeistert, einzig das Erscheinen von Dr. Theresa Körner scheint ihn zur Mitarbeit zu bewegen. Es dauert nicht lange und es gibt ein zweites Opfer, welches zwar nicht auf dieselbe Weise, aber dennoch ebenso bestialisch hingerichtet wurde. Perg selbst wird sowohl von Severin, wie auch seiner Zerrissenheit blockiert. Obendrein stellt sich heraus, dass seine Frau, mit seinem ehemaligen Freund und Kollegen Victor ins Bett gegangen ist. Nicht nur das sein Leben nun völlig kaputt scheint, Perg selbst kann der Vergangenheit nicht entfliehen. Es war ein Krieg der in aufgefressen, durchgekaut und ausgespuckt hat. Ein Mensch, der scheinbar keinen Platz mehr auf dieser Welt hat. Einzig Theresa hält zu ihm. Aber auch Paul Severin, beginnt seine Vorbehalte zu überdenken. Trotz aller Probleme gilt es einen Killer aufzuhalten, der auch Perg ins Visier genommen hat.
Dem Mörder auf der Spur
Regisseur Stefan Ruzowitzky präsentiert uns mit „Hinterland“ einen Genre-Mix aus Krimi, Thriller und Drama, den er mit surrealen digitalen Bildern und Kulissen untermalt. Die Geschichte beginnt Anfang der 1920er Jahre nach dem Ersten Weltkrieg. Eine Gruppe desillusionierter und kaputter Kriegsheimkehrer kehrt aus der russischen Kriegsgefangenschaft zurück. Die Heimat, die sie einst kannten, gibt es nicht mehr. Um diesen unwirklichen Eindruck zu unterstreichen, drehte Ruzowitzky seinen Film vor Green- bzw. in diesem Fall vor Bluescreen. Komplett ohne reale Kulissen, Gebäuden oder gar Straßen. So entstand ein Film, welchen die Pressemitteilung mit einer Mischung aus „Sin-City“ und „Babylon Berlin“ vergleicht. Auch wenn „Sin-City (2005)“ vielen ein Begriff ist, würde ich „Hinterland“ doch eher im Vergleich mit „Vidocq (2001)“ mit einer gehörigen Portion Film-Noir sehen. So setzte bereits „Vidocq“ Regisseur Pitof, nach einem Drehbuch von Jean-Christophe Grangé, seinen Film mit überwiegend virtuellen Bildern um. Auch in diesem macht ein Ermittler Jagd auf einen unbekannten Mörder.

Damit ist Stefan Ruzowitzky Werk, optisch ebenfalls ein Genuss für Freunde surrealer Bilder. So unterstreichen diese unwirklichen Bilder, den Eindruck den der Hauptdarsteller Murathan Muslu, als Peter Perg von der realen Welt haben muss. Es gibt keine geraden Häuser oder Räume, alles ist verzerrt und wirkt teils wie aus einem Albtraum. Vermutlich sieht es auch so in der Figur Peter Perg aus, zerrissen und kaputt. Die Welt von einst existiert nicht mehr und er scheint sich wie auf einem anderen Planeten vorzukommen. Selbst seine Frau hat sich entfremdet und auch wenn er sie vielleicht noch liebt, ist sie doch schon längst eine andere. Einzig die Figur Dr. Theresa Körner, dargestellt von Liv Lisa Fries scheint eine Art Anker in dieser fremden Welt zu sein. Verbindet die beiden doch ein grausames Erlebnis. Und selbst die Morde lässt Regisseur Ruzowitzky nicht normal wirken. Hier lässt er seinen Mörder auf bestialische und sadistische Weise wüten. Einer der Opfer wird mit 19 Holzpflöcken gepfählt, ein anderer von 19 hungrigen Ratten bis zur Hälfte seines Körpers aufgefressen. Möchte nicht wissen, von was Ruzowitzky nachts so träumt.

Neben der starken Optik wird der Film hervorragend von Hauptdarsteller Murathan Muslu getragen. Dieser liefert eine großartige und intensive Darstellung seiner Figur Peter Perg ab. Nicht nur das man fast schon den Schmerz, den Zorn und die Hoffnungslosigkeit spürt. Auch diese Zerrissenheit überträgt sich auf den Zuschauer. Murathan Muslu, ein Name, den man sich als Filmfan merken sollte, spielte er die restliche Besetzung geradezu an die Wand. Dazu legte Ruzowitzky seine Hauptfigur dennoch recht undurchsichtig an. Ist man als Zuschauer schon zu Beginn auf der Seite von Perg, hat man dennoch immer das Gefühl, dass dieser mehr weiß als er zugibt. Er gibt zwar den ein oder anderen „Ausraster“, sein Geist jedoch scheint immer hellwach zu sein. So ergeben sich zwei Ausgangssituationen: Ist er der Mörder, den der Krieg in den Wahnsinn trieb oder ist er derjenige, der als einziger den wahren Mörder aufhalten kann? Wer die Auflösung wissen möchte, wird um eine Sichtung wohl nicht herumkommen, ich werde sie Euch sicherlich nicht verraten.

Selbst wenn Muslu hier brilliert, performed der Rest der Besetzung ebenfalls auf hohem Niveau. Besonders Marc Limpach spielt seine Rolle des Ex-Kollegen und Freundes, wie ein windiges Wiesel. Weiß man nie, ob es sich bei dieser Figur gerade um Freund oder Feind handelt. Demgegenüber macht die Figur von Paul Severin, gespielt von Max von der Groeben, eine positive Wandlung durch. Besonders herrlich, als Severin und Perg eine für sie homophobe Situation erleben und daraufhin zusammenprallen. Ja, die Welt in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts tickte noch anders, aber nicht unbedingt besser. Auch wenn mir persönlich „Hinterland“ sehr gut gefiel, störte mich dennoch ab und zu diese Bluescreen-Optik. Die überwiegende Mehrheit der Bilder verschmolz zu einem tollen surrealen Eindruck, andere Szenen wiederum wirkten wie die Greenscreen-Technik vergangener Tage. Hier würde ich gar behaupten, dass diese Szenen wie Theaterkulissen wirken. Wobei ich die Arbeit der Digitalkünstler hier in keiner Weise schmälern möchte. Dennoch rissen mich diese gerade diese Szenen aus dem Filmfluss heraus.
Den Rest überlasse ich dem Fazit:
Mit „Hinterland“ schuf Regisseur Stefan Ruzowitzky einen optisch gelungenen Film-Noir, bestehend aus Krimi, Thriller und Drama. Der überwiegende Einsatz der Bluescreen Technik und der totale Verzicht auf reale Kulissen, unterstreicht den surrealen Eindruck des Films ungemein. Wem bereits die Optik des französischen Films „Vidocq“ aus dem Jahr 2001 mit Gerard Depardieu in der Hauptrolle gefallen hat, ist hier genau richtig. Ebenso wie in „Vidocq“ jagt der Hauptdarsteller einen sadistischen Serienkiller, der seine Opfer auf bestialische Art und Weise hinrichtet. Die Spannungskurve ist zwar recht ordentlich, reichte für dennoch nicht an Titel wie „Memoir of a murderer“ oder „A hard Day“. Was daran liegt, dass man auch die tragische Seite der Figur Peter Perg, großartig von Murathan Muslu dargestellt, Zeit einräumt. Dies nimmt zwar immer wieder mal etwas Tempo aus den Ermittlungen heraus. Was aber nicht störend wirkt, sondern die Bindung zu der Hauptfigur unterstützt. Auch der Rest der Besetzung weiß zu überzeugen, womit der Zuschauer mit viel Antipathie, wie auch Sympathie konfrontiert wird. Gerade Marc Limpach als Victor Renner würde ich meine Zukunft, nach meiner Heimkehr nicht in die Hände legen wollen.

Überraschend fand ich den dargestellten Härtegrad der Morde. Man ist zwar nicht bei den „Hinrichtungen“ der Opfer dabei. Erfährt aber während der Aufklärung, wie es abgelaufen sein muss. Hierbei ist das gepfählte Opfer fast noch das harmloseste, wenn ich an die Szene mit den Ratten denke. Hier verstand es Ruzowitzky bestens, das Kopfkino des Zuschauers anzuregen. Ebenso lässt der Regisseur die Identität seines Täters, bis zum Schluss im Dunkeln. Somit weiß nicht, obwohl das Motiv bereits im letzten Drittel enthüllt wird, welche der Figuren der Serienmörder ist. Was mich demgegenüber dann doch etwas gestört hat, waren manche digital erstellten Szenen, die sich nicht ganz so sauber in das Bild integrierten. Diese glichen eher Theaterkulissen, ähnlich bemalter Theaterleinwände, was mich etwas aus dem Filmfluss riss. Wohl aber eher ein Problem meiner persönlichen Sehgewohnheiten. Wer bereits die surrealen Filmvertreter „Vidocq“, „Die Stadt der verlorenen Kinder“ oder auch „Sin City“ mochte, hervorragendes Schauspiel zu schätzen weiß und dazu noch ein Krimi-Thriller-Freund ist, dem kann ich „Hinterland“ nur wärmstens empfehlen.
„Der Film ist ab dem 18. Februar 2022 überall auf DVD und Blu-ray erhältlich. Digital kann man „Hinterland“ bereits per TVoD ab dem 17. Februar 2022 sehen.“
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