Der geheime Garten (2020): Review
Der geheime Garten: Zwischen Trauer und Liebe

„Der geheime Garten“ – Frances Hodgson Burnetts Kinderbuch aus dem Jahr 1911, erfuhr in den letzten 100 Jahren schon etliche Verfilmungen für das Kino, wie auch im TV und selbst Theateraufführungen gab es bereits. Dabei wurde Burnetts Buch real wie auch animiert produziert.
Mit „Der geheime Garten“ aus dem Jahr 2020 nahm sich nun Regisseur Marc Munden dieser Geschichte an. Womit sich die Frage stellt, ob Munden den bisherigen Produktionen unterlegen ist, gleichziehen oder diese gar übertrumpfen kann. Die Antwort auf diese Frage folgt wie immer in den nachfolgenden Zeilen.
Erkunden wir zuerst den geheimen Garten:
Ein Schicksalsschlag macht die in Indien lebende 10-jährige Mary Lennos (Dixie Egericks) zur Waise. So wird sie zu ihrem nächsten Verwandten, ihrem Onkel Archibald (Colin Firth) nach London geschickt. Dieser leidet ebenfalls an dem Tod seiner Frau, der Schwester von Marys Mutter. So zieht er sich überwiegend in sein Arbeitszimmer zurück. Damit überlässt er es der überaus strengen Hausdame Mrs. Medlock (Julie Walters) sich um Mary zu kümmern.

Trotz einiger Auflagen beginnt Mary damit die Umgebung und letztlich auch das riesige Anwesen zu durchforschen. So stößt sie draußen nicht nur auf einen Hund, sowie den jüngeren Bruder Dickon (Amir Wilson) des Dienstmädchens Martha. Sondern auch auf ihren kränklichen Cousin Colin (Edan Hayhurst). Dieser wohnt in den oberen Stockwerken des Anwesens und wird von ihrem Onkel von der Außenwelt abgeschirmt. Onkel Archibald versucht durch dieses „wegsperren“, seinen Sohn zu schützen, um diesen nicht auch noch zu verlieren.

Mary ist erstmal mit ihrem neuen vierbeinigen Freund beschäftigt und versorgt diesen täglich mit etwas zu fressen. Bei ihren Streifzügen durch die freie Natur stößt sie auf eine große Mauer mit einer verschlossenen Tür. Ihre Neugier ist grenzenlos und so muss sie wissen, was sich dahinter befindet. Kurzerhand klettert sie über diese und findet einen geheimen Garten vor. Hier offenbart sich ihr ein fast schon magischer Ort.

Ein Garten versteckt vor den Augen anderer. Doch nicht nur der Garten ist ein gut gehütetes Geheimnis, auch ihre Familienbande zu ihrer Mutter, wie ihrer Tante bergen noch einige ungeklärten Fragen. Stück für Stück setzt Mary das Puzzle zusammen und erfährt, warum ihre Mutter und ihre Tante so früh gestorben sind. Mit diesem Wissen liegt es an Mary, ihren Onkel sowie ihren Cousin aus ihrer Tristesse zu befreien.

Ist die neue Adaption anders, besser oder schlechter?
Da ich die Verfilmung von „Der geheime Garten“ aus dem Jahr 1993 kenne, war ich gespannt, ob Marc Munden der alten Geschichte neue Facetten abringen konnte. So viel mir zu Beginn eine zeitliche Versetzung in die Mitte des 20. Jahrhunderts auf, was aber keinerlei Auswirkung auf die Geschichte hat. Munden spielt mit traumhaften und phantasievollen Bildern.
So stellt er das Anwesen des Onkels als tristen, düsteren Ort voller Leid und Traurigkeit dar. Während die Welt des geheimen Gartens wie ein magischer, lebendiger Ort wirkt. Dies unterstreicht Munden damit, da es so wirkt als würden die Pflanzen Mary geradezu helfen, die Mauer zu diesem Garten zu überwinden. Ebenso baut Munden, gewisse Spannungen zwischen Mary und der Hausdame auf, womit der Zuschauer zu jeder Minute damit rechnet das es zu einem Eklat kommen muss.
Damit steht Marys verbleib im Anwesen oder dem Verweis in ein Internat, immer auf der Kippe. Dieses Gefühl wird durch Marys, anfangs noch sehr überhebliches und arrogantes Verhalten unterstützt. Da sie sich über allerlei Verbote hinwegsetzt. Als Zuschauer fragt man sich minütlich, wann sie den Bogen endgültig überspannt hat.
Die Neugier Marys ist es, die die Geschichte immer wieder vorantreibt. Umso mehr sie entdeckt, desto mehr Fragen werden beantwortet. So blickt man bald schon hinter die familiären Bande, die Trauer und das Verhalten des Onkels. Damit ist es auch Mary, die durch ihr grenzüberschreitendes Verhalten, die Ketten der Trauer sprengt. Mit den Aufdeckungen hält die Erkenntnis Einzug. Aber erst ein dramatischer Einschnitt, ein Großbrand, welches dem Onkel fast das Leben kostet, lässt ihn über seine Trauer hinwegkommen.
Auch hier bedient sich Munden wieder übernatürlich wirkenden Szenen, die den Protagonisten helfen sollen, diese Katastrophe zu überstehen. Ob es nun wahre magische Erfahrungen oder nur Einbildungen waren, verrät der Film indes nicht. So ist auch das Geheimnis um den Garten selbst, eigentlich keines. Hier sollen einzig die schmerzenden Erinnerungen weggeschlossen bleiben. So ist es letztlich nicht der Garten, sondern Marys Erkenntnis die ihrem Onkel und ihrem kränkelnden Cousin die Augen öffnet.
Was man Munden lassen muss, er schuf optisch und darstellerisch einen sehr gelungenen Film. Dennoch gibt es auch einige Defizite. Trotz traumhafter und magischer Bilder bleibt der Film recht gefühlskalt. Natürlich schwebt die Trauer über den Verlust der Mutter, der Tante über den Köpfen der Figuren. Es fehlt etwas die Ausgewogenheit, zwischen Tristesse und Gefühl. So scheint Mary zwar den Verlust zu spüren, der Zorn das ihre Mutter sie immer wieder abwies, überwiegt immer wieder.
Und während sie das Areal erkundet, neue Freunde und den Garten findet, scheint der dramatische Aspekt nicht mehr von Belang. Ihre Neugier wird zwar gezeigt, aber die Erkenntnis erlangt die junge Mary so nüchtern und kühl, wie ein Sherlock Holmes der seinen Fall geklärt hat. Demgegenüber steht das überaus destruktive Verhalten des Onkels. Und auch bei seinem kränkelnden Sohn, weiß man nicht ob es ihm wirklich schlecht geht oder ob dieser ein Hypochonder ist. Ehrlich gesagt nervte sein Gefasel von seinem baldigen Ableben dann doch sehr.
Fazit:
Der Geheime Garten: Man muss zugeben, dass Regisseur Marc Munden, mit „Der geheime Garten“ einen optisch, wie darstellerisch hochwertigen Film abgeliefert hat. Hier nutzte er die technischen Möglichkeiten, um traumhaft schöne Bilder und magische Szenen zu kreieren. Sein Cast allen voran Dixie Egerickx als Mary agiert wunderbar. Was habe ich also zu bemängeln? Trotz toller Bilder konnte ich keine Emotionen zu dem gesehenen aufbauen.
Der Tod der Mutter, der Verlust der Ehefrau, die Trauer des Onkels sowie der kränkelnde Cousin konnten mich nicht packen. Auch die Wandlung, die Mary noch in der alten Verfilmung vom arrogant-verwöhnten Rotzgör zu einem verständnisvollen Mädchen durchmachte, konnte ich hier nicht sehen. Natürlich ändert sie sich, aber nur deswegen, da sie versteht, dass sie mit fordern weniger weit kommt, als mit bitten.
Allgemein schienen sich die Figuren nicht weiter zu entwickeln. Über dem ganzen Film schwebt mehr die Trauer und Düsternis. Als Zuschauer wartet man auf den großen Knall, der Mary in das drohende Internat befördert, anstatt der Erkenntnis über die eigene Familie. Auch das Leid, dass der Regisseur den Onkel erfahren lässt, wirkt zu drüber.
Von der Darstellung des kranken Cousins ganz schweigen. Dies fand ich dann doch ziemlich grotesk. So bleibt für mich ein optisch toller Film, zurück, der durch seine unterkühlte düstere Darstellung leider nicht völlig überzeugen kann. Kurz gesagt: viel Drama und wenig Gefühl, dennoch untermalt mit faszinierenden Bildern. Hätte der Regisseur sein Augenmerk ebenso auf den emotionalen Part, wie auf die phantasievolle Szenerie gelegt, was hätte das für ein Film werden können.
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