CONTRA (2020) – REVIEW
CONTRA: Christoph Maria Herbst heizt seiner Kollegin Nilam Farooq kräftig im Hörsaal ein, doch das soll nicht ungestraft bleiben. Dennoch müssen beide über ihren Schatten springen, um ein Ziel zu erreichen.

CONTRA : Christoph Maria Herbst macht als Professor Pohl, seiner Schauspielkollegin Nilam Farooq, alias Naima Hamid, schon ihren ersten Studientag zur Hölle. Seine Äußerungen sind nicht nur beleidigend und kränkend. Sie rufen auch den Disziplinarausschuss der Universität auf den Plan. Womit Professor Pohl ein Problem bekommt, was sich wider Erwarten zum Guten wendet. In Sönke Wortmanns neuer Dramödie stehen sich zwei Menschen gegenüber, die gegensätzlicher nicht sein könnten. Auf der einen, der wortgewandte und ziemlich fiese Rhetorikprofessor Richard Pohl. Auf der anderen Seite seine neue Studentin Naima Hamid. Wie zu erwarten müssen sich diese Figuren im Verlauf zusammenraufen, um ein Ziel zu erreichen. Dabei steht natürlich auch der Wandel von der Antipathie hin zur Sympathie im Raum. Der Film selbst basiert auf dem französischen Spielfilm „Die brillante Mademoiselle Neïla“. Ob Sönke Wortmanns Remake, trotz des bekannten Plots überzeugen konnte, erfahrt Ihr wie immer in den nachfolgenden Zeilen.
Willkommen im Hörsaal
In Sönkes Film „Contra“ musste die junge Naima Hamid schon einige Einbußen in ihrem Leben hinnehmen. So war es für die junge Ausländerin nicht immer leicht, ihr Leben zu leben und die Familie zu unterstützen. Doch nun muss sie auch mal an sich denken, ihr Plan ein Jura Studium. Schon der erste Tag an der Uni wird für sie zum Fiasko. Ist sie aufgrund ihres ihren jüngeren Bruder zu spät dran. Womit sie mitten in Professor Pohls Vorlesung platzt, was dieser so gar nicht mag. Er lässt es sich natürlich nehmen, die Verspätung entsprechend zu kommentieren. Womit ihm auch einige böse Äußerungen über die Lippen kommen. Welche die Mitstudenten natürlich sogleich in den Social Networks posten. Wie zu erwarten sein Verhalten bei der Allgemeinheit nicht gut an, was ihm Disziplinarverfahren einbringt. Für Universitätspräsident Lamprecht gibt es nur eine Möglichkeit, dass sich Pohl rehabilitieren kann. Er muss sich einem Studenten annehmen und ihn für einen Debattierwettbewerb fit machen. Eventuell besänftigt diese Geste den Disziplinarausschuss. Bezüglich eines Kandidaten soll er sich, sehr zu seinem Missfallen, der Studentin Naima Hamid annehmen.

Dabei soll die Absprache zwischen Lamprecht und Pohl, jetzt nicht unbedingt der Öffentlichkeit bekannt werden. Dennoch stellen sich die übrigen Studenten schon die Frage, weshalb Pohl sich entgegen aller Erwartungen, einer ausländische Studentin annimmt. Auch Naima Hamid wird im Glauben gelassen, Pohl wolle sie auch reiner Selbstlosigkeit unterstützen. Wobei Naima selbst, alles andere als begeistert von dieser Idee ist. Dennoch ist der Professor ein As in seinem Tun. Was ihre Chancen steigert, nicht nur erfolgreich im Wettbewerb zu sein, sondern vielleicht das ersehnte Praktikum in einer Anwaltskanzlei zu bekommen. Sind diese doch immer an redegewandten Nachwuchs interessiert. Pohl wiederum ist der Meinung, das er sie vielleicht ein oder zwei Runden voranbringen kann, mehr Aufwand sei jedoch verschwendete Zeit. Nachdem sich Naimia gar nicht mal so ungeschickt anstellt, erkennt Pohl ein unerwartetes Potential in ihr. So wird der Mentor nicht nur von seiner Schülerin überrascht, sondern kann vielleicht auch noch etwas von ihr lernen.
Eine bekannte Geschichte, gut verpackt?
Eines dürfte wohl unbestritten sein, Christoph Maria Herbst ist die perfekte Besetzung, des zynischen Rhetorikprofessor Richard Pohl in Sönkes Film „Contra“. Gilt er doch nicht umsonst als einer der sprachlich- und schauspielerisch begabtesten Darsteller Deutschlands. Man denke nur an seine vielen Rollen, in denen er gar schon eine ganze Litanei herunter zu beten weiß und diese immer noch für Lacher sorgen kann. So wie Michael „Bully“ Herbigs „Traumschiff Surprise“ als des Königs Lakai. Man mag von Christoph Maria Herbst halten, was man will, aber sein Handwerk versteht er bestens. Nicht umsonst gehört er für mich mit zum Besten, was die deutsche Schauspiellandschaft zu bieten hat. Ihm stellte man in der „gesellschaftskritischen“ Komödie „Contra“, die Schauspielerin Nilam Michaele Farooq, als Naima Hamid zur Seite. Welche für seine Figur zum Ärgernis und Problem wird. Wo Herbst mit Rhetorik und Zynismus glänzt, weiß Farooq mit Liebenswürdigkeit und Verständnis zu kontern. Womit die Chemie der beiden zumindest für mich gestimmt hat.

Sönke Wortmanns „Contra“ basiert auf dem französisch-belgischen Spielfilm „Die brillante Mademoiselle Neïla“ im Original: „Le brio“ von Yvan Attal. Welcher unter anderem für den César (den französischen Oscar) als bester Film nominiert wurde. Wer das Original kennt, wird schnell merken, dass Sönke Wortmann sich fast eins zu eins an dieses hielt. Somit bietet der Film für Kenner des Originals keine großen Überraschungen. Wem das Original gefallen hat, dem sollte auch das Remake gefallen. Womit dieses für mich allein durch die Besetzung von Herbst und Farooq zu überzeugen wusste. Mit einer anderen Besetzung, besonders gemessen an Herbsts Leistung, hätte es das Remake wohl recht schwer gehabt für sich alleine zu bestehen. Trotz der längeren Laufzeit gegenüber dem Original hatte ich im Nachhinein das Gefühl, dass der Film einige Erklärungen schuldig bleibt. Hier sei der vermeintliche kleine Sohn Naimas gemeint. Aber auch der Plot um den Bruder, deutet man nur recht oberflächlich an.

So scheint der kleine Junge bei Naima vermutlich ihr eigenes Kind zu sein. Ebenso scheint dieser nur als Trigger für ihr zu spät kommen zu dienen. So wirklich erhält man jedoch keine weiteren Informationen, was der Figur Naima wohl wesentlich merh Tiefe verliehen hätte. Auch nicht in Bezug auf Naimas zukünftigen Freund, der sie zwar seit Kindertagen kennt, aber keine weiteren Infos liefert. Es scheint gerade so, als gebe es das Kind ab der Hälfte des Films gar nicht mehr. Und auch die Betreuung des Kleinen scheint kein Problem mehr darzustellen. Auch der Bruder, das Sorgenkind der Familie, trägt zwar zur Dramatik bei, erhält aber ebenfalls keine aussagekräftige Hintergrundgeschichte. Dieser dient wohl ebenso wie der kleine Junge, als Trigger für verschiedene Twists. Auch Christoph Maria Herbsts Figur Professor Richard Pohl, erfährt man recht wenig. Es wird zwar im Verlauf erwähnt, dass er einst ein erfolgreicher Anwalt war. Dennoch weiß man nicht wirklich, weshalb er den Job an den Nagel hängte. War es der Ehestreit mit folgendem Tod der Tochter oder doch etwas anderes. Laut O-Ton aus dem Film: soll er jedoch auch schon davor eine A****loch gewesen sein. Somit macht er wenigstens noch eine Wandlung durch und zwar zu einem A****loch mit Herz.

Die Bezeichnung „gesellschaftskritischer Film“ finde ich im Bezug auf „Contra“ hier dennoch arg hochgegriffen. Die Themen Ausländer, Migration und Rassismus finden zwar Erwähnung, werden jedoch nicht allzu lange thematisiert. Selbst Pohls rassistische Äußerungen relativiert der Charakter sofort mit dem Besuch seines geschätzten italienischen Lokals. Sollte der Film eine ernste gesellschaftskritische Komödie werden, so hat er das Ziel etwas verfehlt. Wer einen gesellschaftskritischen wie dystopischen Film sehen möchte, dem würde „Gattaca“ empfehlen. Ebenso wäre es für die Dramatik gut gewesen, den Zuschauer mit etwas mehr Infos zu füttern. Für einen Film, der sich überwiegend dem Thema „Mentor / Schüler“ widmet, kann er jedoch vollends überzeugen. Mag man doch schon seit eh und je Geschichten, wo ein Lehrer seinen Schüler zum Erfolg führt. So wie einst Mister Miyagi seinen Schützling Daniel in „Karate Kid 1 & 2“ oder Robin Williams und Matt Damon in „Good Will Hunting“. Hier kann „Contra“ trotz seiner Plot-Defizite überzeugen. Was nicht zuletzt an einem hervorragend aufspielenden Christoph Maria Herbst liegt. Wobei ich Nilam Farooqs Leistung hier in keiner Weise schmälern möchte. Dennoch bleibt Herbst der Showstealer, da man nie weiß, was der Mentor seiner Studentin als Nächstes an den Kopf wirft.
Das Fazit gibt Contra:
Wie schon erwähnt, sehe ich Sönke Wortmanns „Contra“, nicht als die angepriesene gesellschaftskritische Dramödie. Der Film bietet zwar einige Anlehnungen, dennoch fehlte der Mut auf diese näher einzugehen. Ist eine Szene noch etwas grenzwertig, wird sie schon in der nächsten relativiert und es kommt zu keinem größeren Eklat. Lenzlich überwiegt die Antipathie sich einer Person anzunehmen, die man für unverschämt hält. So findet der Professor seine Studentin respektlos, während sie ihn für unverschämt hält. Angesprochen werden zwar Probleme unterschiedlicher Bevölkerungsschichten und deren Herkunft. Diese wirken aber eher wie etwas das alle Familien und Menschen, inländisch wie auch ausländisch betreffen kann. Einzig das Thema Ausweisung wird auf dem Weg, zu einem weiteren Wettbewerb kurz thematisiert. Ähnlich oberflächlich handelt die Komödie „Beckenrand Sheriff“ diese Thematik ab. Wahrlich gesellschaftskritisch geht es in „Son of the South“ zu. Die allseits bekannte Wendung, sprich Enttäuschung und Versöhnung, darf hier ebenfalls nicht fehlen. Letztlich steht Verständnis, der Erfolg wie auch das gute Gefühl im Mittelpunkt.
Womit „Contra“ für mich ein eher gesellschaftskritisch angehauchter Film geworden ist. Die gezeigten Probleme scheinen nur als Grundgerüst, für die Geschichte um Studentin Naima Hamid und ihren Professor Richard Pohl zu dienen. Überwiegend dreht sich der Film um zwei unterschiedliche Charaktere, die sich nicht sympathisch sind und dennoch zusammenkommen müssen. Die Hauptdarsteller Nilam Faroog und Christoph Maria Herbst wissen dabei perfekt in ihren Rollen zu überzeugen. Die Nebendarsteller bleiben recht blass. Bis auf den Sympathieträger des Films, gespielt von Hassan Akkouch als Naimas Freund Mo. Lässt man die vermeintliche Gesellschaftskritik weg, ist der Film eine herrlich menschliche Komödie, mit viel Wortwitz und etwas Dramatik geworden. Die Moral von der Geschichte ist wie so oft, was Menschen erreichen können, wenn sie hart an sich arbeiten und in der Lage sind, über ihre Schatten zu springen. Ein Film, der zum Ende hin zu einem richtigen Feelgood-Movie wird.
Blu-ray Infos:
Die mir vorliegende Blu-ray beinhaltet noch folgende Extras: Interviews mit Nilam Farooq und Christoph Maria Herbst. Music-Video: „Use Me“ – Joy Denalane, Making-of.
Bild & Trailer © Constantin Film – alle Rechte vorbehalten.