BELFAST (2021) – REVIEW
BELFAST: Regisseur Kenneth Branagh nimmt uns mit auf eine Zeitreise in das Jahr 1969 und somit in seine Geburtsstadt Belfast. Eine Zeit des Umsturzes und voller schwerwiegender Entscheidungen.

BELFAST (2021): Regisseur Kenneth Branagh („Agatha Christies – Tod auf dem Nil“) nimmt uns in seinem gleichnamigen Film mit in seine Geburtsstadt Belfast. Damit spielt der Film im Jahre 1969 und zeigt das Leben des neunjährigen Buddy (Jude Hill). Die Zeit der unbeschwert nimmt im August 1969 ein jähes Ende, als der Bürgerkrieg zwischen Protestanten und Katholiken ausbricht. Auch bekannt als der Nordirlandkonflikt. Nachdem dieser Bürgerkrieg auch in die Straße von Buddy und seiner Familie getragen wird, sieht sein Vater das Leben seiner Frau und seiner beiden Söhne gefährdet. Womit die Überlegung aufkommt nach England zu ziehen. Buddy selbst will natürlich nicht weg, hat er hier doch seine Granny, sein Pop und seine Freunde. Als sich die Lage zuspitzt, müssen sich alle zwischen der sicheren Fremde oder der nun gefährlichen Heimat entscheiden. Ob mich Kenneth Branaghs Film überzeugen konnte und wie der Film allgemein auf mich wirkte, erfahrt Ihr wie immer in den nachfolgenden Zeilen.
Belfast 1969
Der neunjährige Buddy liebt seine Eltern, seine Granny, seinen Pop, seine Freunde. Sein liebstes Hobby jedoch sind diese faszinierenden Kinofilme. So lebt Buddy sein unbeschwertes Leben in der kleinen Straße im Arbeiterviertel, mitten in Belfast. Überwiegend kümmert sich seine Mom um ihn und seinen Bruder. Seinen Dad sieht er nur alle zwei Wochen. Waren es doch Sportwetten, wie auch das Finanzamt, was seinem Vater zum Verhängnis wurde. Womit er gezwungen war eine besser bezahlte Arbeit in London anzunehmen. Keine leichte Zeit für die kleine Familie. Doch das Jahr 1969 sollte noch einige dramatischer Wendungen mit sich bringen. Während Buddy seine Jugend mit Spielen, Toben und Streichen verbringt, brodelt es inmitten der Stadt. Dieses Jahr war auch der Beginn eines jahrzehntelangen Bürgerkriegs zwischen Katholiken und Protestanten. Buddy versteht die Welt nicht mehr und warum sollen seine katholischen Freunde und Bekannte vertrieben werden? Derweil hat sich seine Cousine Moira auf die protestantische Seite geschlagen.

Aber auch Buddys Dad wird von einem Schulfreund, mit einer unterschwelligen Warnung vor die Wahl gestellt, sich lieber den Protestanten anzuschließen. So kommt es ihm gerade Recht, als man ihm in England eine besser bezahlte Position, samt einem gestellten Haus in Aussicht stellt. Damit sieht er eine Chance, die Familie in Sicherheit zu bringen. Seine Frau jedoch ist in Belfast fest verwurzelt. Ebenso leben seine Eltern, wie auch Buddys Großeltern hier. Obendrein wird auch noch Pop schwer krank, womit Buddys Granny allein auf sich gestellt bleibt. Buddy selbst will natürlich ebenfalls nicht weg von seinen Freunden und seinen Großeltern und der restlichen Verwandtschaft. Als seine Cousine ihn auch noch zu ihrer „geheimen Bande“, welche aus protestantischen Randalieren besteht, mitnimmt. Wird es eng für Buddy, ziehen diese doch gerade zu einem brutalen Aufstand los. Buddys Pa kann gerade noch das schlimmste verhindern, doch nun wurde auch die letzte Grenze überschritten. Hier kann er seine Familie nicht mehr beschützen, was auch seine Frau einsieht und es tatsächlich besser ist, Belfast den Rücken zu kehren.
Branaghs „persönlicher“ Rückblick
Wer einen Blick auf das Geburtsdatum des Regisseurs und Drehbuchautors Kenneth Branagh wirft, könnte vermuten, Branagh sei Buddy. Und tatsächlich inszenierte Kenneth Branagh seinen neuen Film basierend auf persönlichen Erinnerungen und Erlebnissen. Rückblickend erzählt Branagh seine Eindrücke der damaligen Zeit, durch die Augen des Filmverrückten neunjährigen Buddy aus Belfast. In der Rolle des Buddy ist der 11-jährige Jude Hill in seiner ersten großen Kinorolle zu sehen. Die er wirklich wunderbar ausfüllt. Schafft es der junge Hill, doch die Freude wie auch die Ängste nachvollziehbar dem Zuschauer zu vermitteln. Zu herrlich die Sache mit dem Waschmittel. An seiner Seite ist als Mutter Caitríona Balfe („Le Mans 66“) und Jamie Dornan („Fifty Shades of Grey“) als Buddys Vater zu sehen. Beide harmonieren als Eltern mit allen Problemen, Sorgen, wie auch schönen Momenten, perfekt miteinander. Buddys Grandma wird von der einstigen James Bond Chefin „M“, alias Judi Dench („Mord im Orient-Express“) verkörpert. Ihr zur Seite steht Ciarán Hinds („Zack Snyders: Justice League“) als Grandpa. In weiteren Rollen sind Lewis McAskie (Buddys Bruder Will), Lara McDonnell (Cousine Moira), Josie Walker (Tante Violet), Michael Maloney (Frankie West) und einige mehr zu sehen. Für mich eine wirkliche tolle Auswahl an Schauspielern, die auch in ihren Rollen und ihrem Schauspiel überzeugen konnten.

Kenneth Branagh, der aktuell die alten Agatha-Christie-Verfilmungen wie „Mord im Orient Express“ und „Tod auf dem Nil“ aufarbeitet. Erhielt für sein Filmdrama „Belfast“ sieben Oscar Nominierungen und gewann letztlich den Oscar 2022 für das beste Drehbuch. Zurecht? Unbedingt! Auch wenn ich der Meinung bin, dass der Film einige Sprünge hat, die man nicht gleich versteht. So findet gerade noch die Beerdigung von Pop (Buddys Grandpa) statt, während die Trauergesellschaft kurz darauf am Feiern ist. Und Buddys Pa, mit dem Song „Everlasting Love“ seiner Frau nochmals seine Liebe bekundet. Dies scheint in Irland aber wohl Tradition zu haben, das man den verstorbenen feiert, anstatt mit düsterer Mine beim Leichenschmaus zu sitzen. Diese Sprünge stören zwar nicht wirklich, dennoch muss man sich immer wieder mal neu orientieren. Was mir besonders gut gefallen hat, war die Wahl des Jungschauspielers Jude Hill. Da ich selbst ein älterer Jahrgang bin, fand ich es hervorragend wie Branagh die damalige Unschuld und Begeisterung eines Kindes der 60er Jahre hervorzauberte. So saß ich als Kind der 70er, ebenso wie Buddy, mit ganz großen Augen im Kino. Gleichfalls transportierte Branagh mit Jude Hill die Freude, Trauer, Angst vergangener Tage für mich immer überzeugend auf meinen TV-Bildschirm. Trotz des dramatischen Hintergrunds des Bürgerkriegs erschuf Kenneth Branagh dennoch einen schönen und herzerwärmenden Film.

Ebenso gut wie die gezeigte Geschichte fand ich den Stil des Films, den Branagh bei seinem Rückblick in schwarz/weiß zeigt. Was den Eindruck einer vergangenen Zeit verstärkt. Als Stilelement lässt er zwar die Fernsehsendungen dennoch in schwarz/weiß, doch die gezeigten Kinobilder sind in Farbe. Ein einfaches und dennoch passendes Stilmittel, um dem Zuschauer in diese vergangene Zeit zu transportieren. Allgemein gesehen ist die Ausstattung einfach großartig ausgefallen. Seien es die Kostüme, die Requisiten, selbst die Location scheint in der damaligen Zeit stehen geblieben zu sein. Besonders gut gefallen hat mir, dass Branagh seinen Film, trotz des ernsten Themas nicht in ein tristes Drama absaufen lässt. So zeigt er zwar eine Familie, die ebenfalls ihre Probleme und dennoch den Spaß am Leben nicht verloren hat. Selbst dann nicht, wenn entsprechend schwerwiegende Entwicklungen oder gar Entscheidungen anstehen. Der dramatische Hintergrund bleibt trotzdem erhalten. Denn selbst wenn die Familie nach England geht, bleiben letztlich immer auch geliebte Personen wie Buddys Granny zurück. Großartig fand ich es das Kenneth Branagh seinen Film genau diesen Menschen, mit den Worten „Für die, die zurückgeblieben sind“ widmete.
Fazit:
Der irische Tausendsassa Kenneth Branagh zeigt mit „Belfast“ einen ziemlich persönlichen Film, welcher auf eigenen Erlebnissen basiert. Der Schauspieler, Regisseur und Drehbuchautor, der vor allem wegen seiner „William Shakespeare“ Verfilmungen wie „Hamlet“ oder „Viel Lärm um Nichts“ internationale Bekanntheit erreichte. Zeigt in „Belfast“ auf dramatische wie auch herzergreifende Weise, wie sich das Leben des neunjährigen Buddy aus Belfast verändert. Dabei ließ Branagh selbst autobiografische Erinnerungen mit einfließen. Wurde Branagh doch selbst im Jahr 1960 in Belfast geboren. Im Jahr 1969 zog er wie Buddy, mit seinen Eltern nach England. Ebenso erzählte er immer wieder, dass er schon seit seiner frühen Kindheit nach Filmen verrückt war. So wundert es auch nicht, dass der Jungschauspieler Jude Hill, dem Regisseur in dessen Kindesalter doch sehr ähnelt. Die Geschichte im Film steht dabei nicht nur für Branaghs Kindheit. Sondern für viele weitere Schicksale, die sich zu der Zeit des Bürgerkriegs ereigneten.

So ließ der Nordirlandkonflikt viele Familien und Freundschaften zerbrechen. Selbst 50 Jahre später und erst recht nach dem Brexit, ist der aktuell herrschende Friede ein zerbrechliches Konstrukt. Trotz all der realen Hintergründe lässt Branagh seinen Film nicht in tieftrauriges Drama versinken. Im Gegenteil, er zeigt ebenfalls die schönen Seiten von Buddys Kindheit. Die er gekonnt mit den dramatischen Ereignissen verschmelzen lässt. Dabei brilliert sein Hauptdarsteller Jude Hill mit seiner Mimik und seinem Spiel. Die entsprechende Dramatik im Film entsteht durch die damaligen Gegebenheiten. Und wie ein Vater versuchte, seine Familie in Sicherheit zu bringen. Für mich ein schöner wie auch teils tragischer Film, der dennoch eine lebensbejahende Botschaft beinhaltet. Freudige wie traurige Szenen wechseln sich hier immer passend und nicht aufgesetzt ab. Bleibt doch trotz aller Freude, der reale und damals überaus gefährliche Hintergrund erhalten. Für Freunde biografischer Werke, wie „Man on the Moon“ oder auch „Ghandi„, ist auch „Belfast“ eine Empfehlung wert. Selbst wenn dieser „Bio-Pic“ eher in die „autofiktionale“ Richtung geht.
Bild & Trailer © Universal Pictures – alle Rechte vorbehalten!